Warum die EU ihr Klimaziel für 2030 im Rahmen der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens nachbessern sollte
Die Ziele der EU für 2030
Im Oktober 2014 einigte sich der Europäische Rat auf den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030. Dazu gehört das verbindliche Ziel der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40% gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Dieses Ziel soll, so haben es die Staats- und Regierungschefs damals vereinbart, aufgeteilt werden auf eine Senkung um 43% in den Sektoren Industrie und Stromerzeugung, die beide unter das Emissionshandelssystem (EHS) fallen, und eine Senkung um 30% in den übrigen Sektoren – hier jeweils gegenüber dem Stand von 2005.
Die KlägerInnen fühlen sich durch das bestehende EU-Klimaziel für 2030 nicht ausreichend vor den Folgen des Klimawandels geschützt sind. Sie machen geltend, dass sie bereits jetzt in ihren Grundrechten beim aktuellen Stand des Temperaturanstiegs um ca. 1°C verletzt werden. Bei einem weiteren Temperaturanstieg wird ihre Betroffenheit voraussichtlich exponentiell ansteigen. Sie fordern das Gericht daher auf, die EU zu einem wirksameren Grundrechtsrechtsschutz zu verpflichten. Sie berufen sich dabei u.a. auf die Grundrechte der Europäischen Union (GRCh).
Ziele müssen kompatibel mit dem Pariser Klimaabkommen sein
Im Jahr 2015 hat die internationale Gemeinschaft im Pariser Klimaabkommen beschlossen, die nötigen Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf möglichst 1,5°C aber auf „deutlich unter 2°C“ zu begrenzen. Die Ziele der einzelnen Staaten sollen solange nachgebessert werden bis die Klimaziele von Paris erreicht werden. Denn die in Paris zunächst eingereichten Beiträge der einzelnen Staaten zur Reduzierung von Emissionen würden die weltweite Erwärmung derzeit auf 3°C – 3,6°C begrenzen. Dies, so belegt es auch die Wissenschaft, hätte verheerende Folgen. Die Klimakrise kann mit den aktuellen Klimazielen der Staaten nicht eingedämmt werden.
Das Klimaziel der EU, die Emissionen bis 2030 um mindestens 40 % zu senken, liegt auf diesem zu niedrigen Ambitionsniveau. Eine Studie des Öko-Instituts macht unmissverständlich klar: Wenn die EU einen gerechten Beitrag zur Beschränkung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C leisten will, muss sie ihre CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55% senken. Soll der Temperaturanstieg auf 1,5 °C begrenzt werden, ist ein höheres Ziel bzw. eine deutlich schnellere Emissionsminderung notwendig.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Abkommen von Paris nicht im Mittelpunkt der Klimaklage steht. Es wird aber von der Klageschrift im Zusammenhang mit den internationalen Verpflichtungen der EU geprüft und angewendet. Die KlägerInnen betonen, dass die Begrenzung auf „deutlich unter 2 °C“ ein absoluter Zielwert ist, und zudem die Pflicht einzuhalten ist, Anstrengungen zu unternehmen um die Temperaturerhöhung auf 1,5°C zu begrenzen.
Dynamiken rund um die EU Klimazielanhebung
Seit Einreichung der Klage im Mai 2018 ist gesellschaftlich und politisch neue Dynamik entstanden. Die letzten Hitzesommer haben die Klimakrise spürbarer gemacht. Neue Erkenntnisse zu den Folgen des Klimawandels durch den IPCC haben die Dringlichkeit des politischen Handelns deutlich gemacht. Auch die Europawahl 2019 hat gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger von ihren Regierungen Antworten auf die Klimakrise fordern. Seit über zwei Jahren demonstrieren Millionen Menschen weltweit für mehr Klimaschutz.
Im Dezember 2019 stellte die EU Kommission unter Ursula von der Leyen den European Green Deal vor, mit dem die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null bis 2050 in der EU reduziert und die EU als erster Kontinent klimaneutral werden soll. Um dies verbindlich festzuschreiben, legte die Kommission einen ersten Vorschlag für ein europäisches Klimaschutzgesetz vor, welches auch ein Zwischenziel für 2030 festsetzen sollte. Für dieses Zwischenziel 2030 lag der Kommissionsvorschlag im September 2020 bei einem Emissionenreduktionsziel von mind. 55% netto (d.h. mit Einbeziehung der Senken) gegenüber 1990. Diese Zielvorgabe beruht auf einer Folgenabschätzung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen. Diese zeigt, dass mind. 55 % weniger Emissionen realistisch und machbar sind. Allerdings zieht Kommission dabei eine Berechnungsgrundlage heran, bei der neben der Reduktion von CO2-Emissionen auch die Speicherleistung natürlicher CO2-Senken wie Wälder und Böden angerechnet werden.
Anfang Oktober 2020 wurde der Gesetzesentwurf im EU Parlament verhandelt. Der Umweltausschuss des Parlaments hatte sich zuvor für eine Anhebung des Reduktionsziels auf 60% gegenüber 1990 ausgesprochen. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmten für dieses Klimaziel für 2030. Sie lehnen die neue Berechnungsgrundlage der Kommission allerdings ab und fordern stattdessen ein reines Minderungsziel ohne Einbeziehung von CO2 Senken.
Im Dezember 2020 stimmten die EU Staats- und RegierungsvertrerInnen für den Vorschlag der Kommission, d.h. für ein Reduktionsziel von mindestens 55% netto und ohne Anrechnung von Kompensationen dank evtl. Klimaanstrengungen im Ausland („domestic target“). Die EU legte somit passend zum UN-Gipfel zum 5. Jubiläum des Pariser Abkommens einen ambitionierteren Beitrag (NDC) für 2030 beim UNFCCC vor. Um die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, so wie es das Pariser Abkommen vorsieht, reicht das vom Rat beschlossene EU Klimaziel allerdings noch nicht aus.
In den Schlussberatungen, dem sogenannten Trilog, verhandeln alle drei EU-Institutionen: das Parlament (60%), die Kommission (mind. 55% netto) und der UmweltministerInnenrat (mind. 55% netto), über die Ausgestaltung des europäischen Klimagesetzes und dabei u.a. über das europäische Klimaziel für 2030
Für die Konjunkturbelebung nach der Coronakrise stützen sich EU-Mitgliedsstaaten auf EU-Gelder bzw. auf ein 672,5 Mrd. Euro schweres EU-Programm „Aufbau- und Resilienzfazilität„ (Recovery and resilience Facility – RFF). Um Zuschüsse zu erhalten soll jeder Mitgliedsstaat einen Aufbau- und Resilienzplan bei der Europäischen Kommission einreichen. Diese nationalen Pläne müssen laut EU-Vorgabe einen Beitrag zum neuen EU-Klimaziel 2030 leisten. Bei diesen nationalen Plänen sollen zumindest 37 % der Gelder dem Klima und der Biodiversität zugutekommen. Zusätzlich gilt für alles das „Do-No-Signifikant-Harm-Prinzip“, nach dem keine für den Klimaschutz schädlichen Maßnahmen finanziert werden dürfen.
EU muss Forderungen der KlägerInnen nachkommen
Auch wenn die EU seit der Klageeinreichung den politischen Forderungen der KlägerInnen nach einer Klimazielerhöhung ein Stück weit nachgekommen ist, so hat sich die Klage keinesfalls erübrigt. Die neuen Klimaziele müssen zunächst gesetzlich festgelegt und ein Fahrplan zu ihrer Umsetzung definiert werden.
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